Die Satire „Extrawurst“ von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob könnte sich auch im LEO zum Theaterhit mausern. Das Stück über die „Schwelmer Tennislöwen“, in dem aus einem nichtigen Grund Rassismus ausbricht, hat viel Diskussionspotenzial – und es lässt die Zuschauer in bisher einzigartiger Form mitbestimmen über die Anschaffung eines neuen Grills für die Vereinsfeiern. Denn das Publikum ist Teil dieser ausgezeichneten Inszenierung.
Normalerweise kein Problem, mal eben so einen Grill anzuschaffen – gäbe es nicht den Vorschlag, auch einen eigenen Grill für das einzige türkische Mitglied des Clubs zu finanzieren… Denn gläubige Muslime, hier verkörpert durch Erol (Lars Dickel), dürfen ihre Grillwürste bekanntlich nicht auf einen Rost mit Schweinefleisch legen. Eine gut gemeinte Idee, die ebenso respektlos wie komisch Atheisten und Gläubige, Deutsche und Türken, „Gutmenschen“ und Hardliner frontal im LEO aufeinanderstoßen lässt. Das Publikum feierte das Ensemble bei der Premiere und belohnte es mit langanhaltendem Applaus. Fantastisch, wie die Crew um Regisseurin Carola Schmidt, den Rassisten in einem jeden auf der Bühne herauskitzelt.
Auch wenn es für Erol kein Problem wäre, sich seinen Grill selbst mitzubringen, so schlägt Vereinsvize Matthias (Tim Müller) vor, Erol den alten Zweitgrill zur Verfügung zu stellen, auch wenn bei dem Ruß und Rost durchschmeckten, beides auch noch Krebs auslösend… Die joviale Präsidentin Dr. Henriette Bräsemann (Carola Schmidt), die anfangs alles im Griff zu haben scheint, bringt ihren Elektro-Grill ins Spiel – der verstaube auf dem Dachboden. Doch dann nimmt die ganze Sache Fahrt auf und die beschauliche Jahreshauptversammlung gerät gänzlich aus allen Fugen.
Auf der einen Seite der steif-bürokratische Matthias, dem von einigen des Tennisclubs rechtes Gedankengut unterstellt wird – etwa von Melanie (Patricia Fanroth). Es kommt zu Handgreiflichkeiten, bei denen Erol Melanie zu Hilfe eilt. Ihrem stets eifersüchtigen Ehemann Torsten passt das gar nicht, sarkastisch provoziert er seinen muslimischen Antipoden Erol mit einem Versuch des Verhaltensforschers Konrad Lorenz: Frisch geschlüpfte Küken, die ihn als erstes sahen, liefen ihm fortan hinterher – sie nahmen an, seine Gummistiefel seien ihre Mutter. So laufe Erol seinem Gott hinterher, weil der Glaube an ihn ihm von Geburt an vermittelt wurde.
Die Zuschauer sind hin und hergerissen, wem sie ihre Sympathien zufliegen lassen sollen. Stets müssen sie nachbessern, da ihnen das Ensemble aufgrund der vielen Pointen und Dialoge kaum Zeit zum Nachdenken lässt. Auch nicht in der Pause, so sie sich utner das verdutzte Publikum mischen. Und jeder Gast muss sich selbst die Frage stellen: „Wo stehe ich denn eigentlich?“ in dieser auf der Bühne geführten alltäglichen Diskussion.
Dietmar Jacobs zählt zu Deutschlands Top-Autoren im Kabarett. Nun hat er sich mit dem Autor und Comedian Moritz Netenjakob zusammengetan, der mit einer türkischen Schauspielerin verheiratet ist. Missverständnisse und Chaos im Clash der Kulturen sind Netenjakobs Hauptthemen. „Extrawurst“ ist eine Komödie mit Abgründen, die zeigt, wie sich eine harmlose Diskussion völlig verselbstständigt.
Die Termine (Es gibt noch Tickets):
Mi, 7. Juni, 20 Uhr; Donnerstag, 8. Juni, 20 Uhr, Samstag, 10. Juni, 20 Uhr, und Sonntag, 11. Juni, 11 Uhr (mit Frühstücksbüffet).
Vorverkauf:
Buchhandlung Bücher Köndgen, Hauptstraße 54-58, 58332 Schwelm
www.leo-theater.ruhr