Es war ihr erstes Auswärtsspiel, aber es fühlte sich an wie ein Heimspiel. LEO Chef Andreas Winkelsträter war es gelungen, die beiden Dortmunder Urgesteine Gerd Kolbe und Matthias „Kasche“ Kartner zu einem Gastspiel nach Schwelm einzuladen. Mit im Gepäck hatten sie ganz viele Dokumente, Bilder, Schals…aus der über 100-jährigen Vereinsgeschichte des BVB Dortmund mit denen sie den Theatersaal ausgestattet hatten. Aber für die richtige Atmosphäre sorgten die LEO Besucher im fast ausverkauften LEO Stadion selbst. Schwarz-Gelb – wohin man auch sah – da war es auch selbstverständlich, dass beim Abschiedslied „You’ll never walk alone“ die mitgebrachten Schals eine Reihe bildeten und es sich fast anhörte wie auf der berühmten Süd-Tribüne selbst. Einheimische wunderte dies weniger, denn Schwelm ist schließlich auch die Geburtsstadt von Fußballspieler Rolf Rüssmann (Schalke 04, BVB).
In der Pause hieß es seitens der Begleitpersonen, die oft noch nie selbst im Stadion waren: „Es ist bewegend, mit welcher Inbrunst, Emotionalität der Saal hier die BVB Hymnen singt. Da kriegst du richtig Gänsehaut.“ und zwinkernd wurde in der Runde ergänzt „Ich habe meinen Mann noch nie zu Hause singen hören – wir sind fast 20 Jahre verheiratet.“ Gerd Kolbe (79), der ehemalige Pressesprecher der Stadt Dortmund und des BVBs, weiß genau, seit wann er Fan ist, wie aus der Pistole geschossen kommt: „24.05.1953! Am 19.05. bin ich nach Dortmund gezogen und am 24. war ich mit meinem Vater zum ersten Mal im Stadion – gegen den HSV 4:2.“ Seitdem ist er vom BVB infiziert und hat seinen Beruf mit der inneren Überzeugung paaren und festigen können. Der Mann hat nicht nur seine privaten Daten parat, nein, er ist eine lebende Festplatte mit Fußballgeschichte. Dabei spult er sie nicht einfach ab, sondern verpackt sie ansprechend amüsant. Egal, ob er einen Spielzug beeindruckend bildhaft beschreibt – das Publikum wie selbstverständlich die Namen der Spieler ergänzt – oder locker aus dem Nähkästchen plaudert. Ein Meister der Worte, der weiß, wie man Fakten bei seinen Zuhörern nachhaltig platziert.
Damit sich diese auch richtig festigen konnten, gab es zur Entspannung die BVB Hymen vorgetragen von Matthias „Kasche“ Kartner, der schnell merkte, dass er im Publikum auf textsichere sangesfreudige Zuhörer traf. Da genügte schon ein Ton auf der Gitarre und der Saal sang. Da musste niemand lange gebeten werden, auch Kasche nicht, als der Saal noch eine Strophe anhängte. Kasche war höchst erfreut „Die Stimmung hier ist klasse. Ich liebe es, den Menschen ein Lebensgefühl von der Bühne mit der Musik zu vermitteln. Das war hier so schön.“ Ja, hier hatte jeder Spaß in den Backen.
Die Mischung zwischen Text, Musik, Bilder war genial einschmeichelnd – so macht Geschichte einfach Spaß.
Kolbe hatte 9 unterhaltsame Geschichten mit – wie ist er wohl auf die Zahl gekommen? – und ganz ganz viele Zitate. Wobei die Zitierten es oft mit den Zahlen nicht so genau nahmen… (z.B. Ingo Anderbrügge: Das Tor gehört zu 70% mir und zu 40% dem Wilmots.)
Kolbe vermittelte unterhaltsam Wissen, womit er auch die langjährigen Fans verblüffte bzw. die Begleitpersonen begeisterte „das ist hier sehr viel mehr als Tor, Tor, Tor.“
Beim nächsten Fußballgespräch werden sicherlich viele nun wiederum ihr Gegenüber überraschen – denn, wer weiß schon, wieviel Namen das Stadion hatte (sogar einen türkischen dabei), warum es schwarz-gelb heißt, obwohl es üblich ist, die Trikotfarbe zuerst zu nennen also zitronengelb-schwarz, das es sich hierbei bereits um die 2. Farbe des Vereins handelt (ursprünglich spielte man in blau, weiß mit roter Schärpe), was die Fußballer ihren Leichtathleten zu verdanken haben (womöglich wäre es nie zu einem BVB gekommen), welche Bedeutung die katholische Kirche hat, wie es dazu kam, dass Elisabeth Podschwadke vor 50 Jahren 17 jährig der 1. Torschütze im Stadion wurde, das die Schalker lange vor den Borussen im Goldenen Buch der Stadt stehen, wie es zum Namen Borussia kam (Dank der Bierwerbung), wie der Mann vom Ordnungsamt eine nächtliche Protestaktion (Volkszählung) genial umwandelte und das Fußballspiel und den Rasen rettete….
Aber auch das Schwelmer Publikum verblüffte die Dortmunder. Sie hatten nicht erwartet, dass „im Umland der BVB genauso gut und treu geliebt wird wie in der Geburtsstadt.“ Die warmherzige ausgelassene Stimmung im Saal habe sie sehr berührt. Kolbe resümierte verschmitzt: „Schwelm ist definitiv eine Reise wert.“
Ob Fußball Fan durch und durch oder „ich bin mitgenommen worden“ – es war ein Erlebnis für Jede(n).
Stimmen aus dem Publikum:
„Das macht hier richtig Spaß. Sehr informativ, kurzweilig. Es ist richtig schön zu hören. Er könnte echt der Vater von Arndt Zeigler sein, der aus dem Fernsehen.“
Frank Teschel (63, Schwelm), der bereits selbst in der Dreifaltigkeitskirche eine Kerze angezündet hat.
„Ich habe es in der Zeitung gelesen und es meinem Sohn zugeschickt. Der ist glühender BVB Fan. Innerhalb von ein paar Minuten kam die Antwort – „ich habe gerade Karten gebucht und ihr kommt mit!“ so Hans Weihs (75, Wuppertal) über seinen Sohn Björn (40), der ergänzt: „Es ist einfach wunderschön hier zu sein. Einfach ein Muss! Was anderes als den BVB gibt es nicht. Morgen noch der Sieg, dann ist das Wochenende gerettet.“ Auch die Begleitperson Mutter Barbara (71) stimmt zu: „Im Stadion war ich noch nie. Aber hier im LEO gefällt es mir sehr gut. Richtig unterhaltsam. Tolle Atmosphäre.
„Das ist wie eine Reise durchs „Borusseum“. Da musste aber alles selber lesen. Hier bekommst du alles erklärt. Gefällt uns richtig gut, die Geschichte – neu und alt – kennenzulernen. Wir haben die Karten geschenkt bekommen – hatten keine Erwartungen – aber total gelungen. Ernsthaft – die haben mal in blau weiß gespielt…-neeee. “
Tim (30) und Tim (34) beide aus Haßlinghausen in Fan Outfit, die sonst nie im Theater sind, aber von der Getränkeversorgung beeindruckt waren