Die musikalischen Pole argentinischer Klänge liegen immens weit auseinander, Tango und Folklore, tiefgehende Songwriterpoesie, nationaler Rock und Pop – all diese Stile haben ihre Spuren (span. „huellas“) in der Musik von Lily Dahab hinterlassen. In einer kongenial erfrischenden Verbindung mit dem Jazz findet die leidenschaftliche Sängerin und Wahlberlinerin auf ihrem neuen Album zu ihrer Heimat Buenos Aires zurück, und dies mit einer Ausnahmestimme. Lily Dahab eröffnet am Mittwoch, 27. September, um 20 Uhr, die Weltmusikreihe „LEO open world“ im LEO Theater im Ibach-Haus. Christoph Giese sprach mit der Musikerin vor ihrem Auftritt in Schwelm.
Sie kommen aus Buenos Aires, haben in Spanien gelebt, wohnen derzeit in Berlin – Sie leben also ein ziemlich kosmopolitisches Leben. Hat dies auch Auswirkungen auf Ihre Musik, die man mit ihren Elementen aus Tango, Bossa Nova, argentinischem Folk und Jazz ja auch als ziemlich weltoffen beschreiben könnte?
Lily Dahab: Da ich in einer großen Stadt geboren wurde, geben Städte aller Art mir generell ein angenehmes Gefühl und machen, dass ich mich behaglich und einfach wohl fühle. Jede Stadt hat ihren eigenen Charme, ihren eigenen Geruch, Atmosphäre, Licht, Klima und so weiter, und natürlich ist es da normal, sie miteinander zu vergleichen. Berlin hat meine Musik definitiv beeinflusst, als es um die Produktion meines zweiten Albums ging: Der Sound wurde intimer, als ob der lange Winter den Alltag und meine Gefühle beeinflusst hätte. Da kommt man einfach mehr in Kontakt mit sich selbst. Die Sonne und das warme Klima Spaniens hingegen laden einen dazu ein, mehr rauszugehen und die Sonne und die längeren Tage zu genießen. Ich denke, das spiegelt immer auch Stimmungen und Gemütslagen wider, und Stimmungen sind immerhin komplett an die Musik geknüpft; an die Atmosphäre, die man vermitteln will. Manchmal schreibt man einen Song, der einem an einem grauen Tag die Sonne bringt, dann wieder einen, der einen mit seinen tiefsten Gefühlen wie Traurigkeit oder Einsamkeit in Kontakt bringt, und manchmal möchte man seinem Geburtsort einen Song widmen, einfach weil man einen nostalgischen Tag hat.
Hatten Sie schon immer diese Liebe für verschiedene Musikstile?
Lily Dahab: Ja! Als Kind bin ich immer mit Walkman eingeschlafen; eine Nacht zu einem Tape von Mercedes Sosa, eine andere zur Musik von Manhattan Transfer, oder zu einem Live-Konzert von Paco de Lucia und Al di Meola oder Piazzolla. Mein Vater zum Beispiel liebte Jazz und brasilianische Musik, während meine Großeltern arabische Musik hörten. All das können Sie aus meinen CDs und den Songs, die wir auf Konzerten spielen, heraushören.
Was ist Ihnen bei Ihrer Musik am wichtigsten? Die Vermittlung von Gefühlen?
Lily Dahab: Zuerst kommt die Qualität der Musik – ein guter Song mit guter Melodie und gutem Text. Und mein Ziel ist es, die Menschen zu berühren. Jeder Song geht auf eine Reise durch den Menschen, und jeder hat dabei seine eigene Geschichte und Erfahrungen und wird von verschiedenen Sounds berührt oder bewegt. In der Musik gibt es diese magische Sprache, die keine Übersetzung benötigt. Das ist auch der Grund dafür, warum ich Songs ungern so sehr erkläre, weil eben jeder Zuhörer selbst seine eigene Interpretation davon anstellen kann, was er bedeuten könnte…wie in jeder Form von Kunst.
Sie sind mit dem deutschen Jazz-Pianisten Bene Aperdannier verheiratet, der auch in Ihrer Band spielt. Wie schaffen Sie gemeinsam Songs? Und hat sein musikalischer Hintergrund Ihre Sicht auf Musik sehr beeinflusst?
Lily Dahab: Mein Mann ist sehr talentiert, nicht nur was seine Musikalität betrifft, sondern auch weil er so ein feinfühliger Mensch ist. Diese Sensibilität macht ihn so einzigartig und zu diesem ganz besonderen Künstler, von dem ich so viel lerne. Meine Musik entstammt meinen Wurzeln, weshalb die Rhythmen und Songs, die ich aussuche, für ihn oft komplett neu sind. Aber er ist so enthusiastisch und offen dafür, neue Musik zu entdecken und zu entwickeln, dass er eine echte Inspirationsquelle für mich ist. Was das Komponieren angeht, läuft es meistens so ab, dass Bene eine Idee mitbringt, und wir dann zusammen am Klavier sitzen und an dieser Idee arbeiten. Dadurch bekomme ich eine klare Vorstellung von dem Thema, über das ich im Song sprechen möchte, und gemeinsam arbeiten wir dann an der Melodie. Bene probiert zum Beispiel verschiedene Harmonien aus, aus denen wir dann zusammen die passenden auswählen. Natürlich haben wir in bestimmten Lebensbereichen auch mal ganz verschiedene Geschmäcker, aber zum Glück haben wir einen sehr ähnlichen Geschmack, was die Musik angeht. Denn auch wenn wir auf verschiedenen Kontinenten geboren und aufgewachsen sind, haben wir die gleiche Musik gehört – die gleichen Jazz-Bands, die gleichen Sänger…unglaublich! Benes musikalischer Hintergrund besteht aus Jazz und Improvisation, was uns viele Möglichkeiten eröffnet und Freiheiten gibt.
Was können wir für Ihr Konzert im LEO Theater in Schwelm erwarten? Waren Sie jemals zuvor in dieser Region?
Lily Dahab: Besser oder gleich ideal wäre es, gar nichts zu erwarten und einfach mit offenem Herzen zu kommen! Wir nehmen die Menschen mit auf eine musikalische Reise durch ganz verschiedene Musikstile: vom intensiven dramatischen Tango aus Buenos Aires oder den melancholisch-romantischen Folksongs aus dem Norden Argentiniens bis hin zur Leichtigkeit und Unbeschwertheit des brasilianischen Bossa Novas und dem wundervoll feurigen spanischen Flamenco und so vielen anderen Stilen…Und natürlich auch zu unseren eigenen Kompositionen mit ihrem ganz speziellen eigenen Sound, zusammen mit meiner Band bestehend aus Bene Aperdannier (Piano), Jo Gehlmann (Gitarre), Andreas Henze (Bass) and Topo Gioia (argentinische Perkussion). Wir haben noch nie in Schwelm gespielt, aber dafür schon in Essen, Dortmund und Köln. An einem neuen Ort aufzutreten ist immer sehr aufregend! Es gibt einem das Gefühl, Botschafter der eigenen Musik zu sein und etwas von ihrem Geschenk zu teilen.
Kostprobe: Huellas
Homepage: Lily Dahab
Jasmin Schäfer hat das Interview aus dem Englischen übersetzt. Vielen Dank!