Weltstar Ute Lemper tritt am Sonntag, 2. August, 20 Uhr im Leo Theater auf. Im Interview erzählt die gebürtige Münsteranerin über ihre harte Arbeit, ihr Projekt „The Last Tango in Berlin“ oder auch über ihre Begegnung mit dem Schriftsteller Paulo Coelho. Für das Konzert im Leo Theater gibt es noch Karten im Büro oder an der Abendkasse.
Sie sind aus Münster in und um die Welt gereist. Gab es da einen Moment, in dem Sie gedacht haben: „Jetzt hast Du den großen Durchbruch geschafft, jetzt bist Du ein Weltstar“?
Ute Lemper: Das ging alles so Step by Step. Es waren viele sich aneinander reihende Ereignisse und harte Arbeit. Und mir ist das damals nie so vorgekommen, als hätte ich den ganz großen Durchbruch geschafft. Das war totaler Einsatz, Leidenschaft. Oftmals sah es für mich auch so aus, dass es überhaupt nicht nach vorne ging. Und da man in dem ganzen Lauf steckt, merkt man gar nicht die Metamorphose oder die Evolution. Ich habe nur immer gedacht: Weiter geht’s auf diesem Weg mit ganz, ganz vielen Kapiteln. Und wenn man dann mal inne hält, zurückblickt, aus dieser Perspektive habe ich dann gesehen, dass ich doch was geschafft habe, eine große, sich durch viele Jahrzehnte ziehende große Karriere. Und das mit einem ganz besonderen Ruf, in einer ganz besonderen Nische Chanson, Kompositionen, Film.
War es für Sie eine Last, immer an Ihren großen Erfolgen gemessen zu werden?
Ute Lemper: Nein, ganz im Gegenteil. So ist es ja nicht gelaufen, dass ich mich an etwas gemessen hätte. Es war auch nie eine Belastung von außen für mich zu spüren. Nach dem Motto: Mensch, das muss jetzt der Knaller werden. Je mehr ich in meinen Weg hineingewachsen bin, desto relaxter war ich. Und dann kam der Punkt, an dem man nicht mehr darauf schaute, was die anderen denken. Natürlich ist man darauf angewiesen, dass die Projekte integer sind und geliebt werden, dass die Menschen zu den Konzerten kommen. Ich habe ja nie irgendwelche Knaller gemacht, ein Pop-Album oder ein großes Hollywood-Movie. Es waren immer ganz präzise Projekte, die nie riesig kommerziell waren. Ja, vielleicht die Broadway- oder West End-Produktionen zu Beginn. Es ging mir immer um die Projekte und den Spaß daran. Und zudem habe ich versucht, mich immer weiter zu entwickeln. So, dass ich von meiner Arbeit erfüllt bin, dass ich darin aufgehen konnte. Und der Druck war vielleicht da nach dem Paris-Erfolg 1987. Da ging es dann los mit der nationalen und internationalen Presse. Das war vielleicht, wonach Sie eingangs fragten, der Durchbruch, zumindest pressemäßig. Da war schon Druck da, da ich noch sehr jung war, gerade Anfang Zwanzig. Auf so viel Aufmerksamkeit war ich gar nicht vorbereitet. So viel im Rampenlicht zu stehen, das war schon eine Überraschung. Und trotzdem musste ich jeden Abend auf der Bühne stehen und meine Sally Bowles spielen. Und das war es ja auch, was ich wollte.
Und dann hat man auch gar nicht die Zeit darüber nachzudenken?
Ute Lemper: Nein, überhaupt nicht. Als ich damals den Molière-Preis bekommen habe, riesiges Blitzlichtgewitter, da ging’s abends wieder auf die Bühne mit meiner Bühnenfamilie. Es ging damals darum, es durchzuhalten, jeden Abend die Kraft zu haben.
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Irgendwie sind alle Straßen zusammengekommen
Anfangs war es die Musical-Sparte, in der Sie Erfolg hatten. Was war die Motivation sich weiter zu entwickeln, anderen Genres auszuproben?
Ute Lemper: Musical war am Anfang, ja klar. Aber davor war ja Schauspielschule, Theater, Rollen, Tanz- und Ballettausbildung. Das waren bei mir von Anfang an viele Schienen, die in meinem Herzen und in meiner Ausbildung existierten. Und dann ging es erst einmal professionell los mit Musicals. Damals zur Zeit des Kalten Krieges, Anfang der 80er Jahre in Berlin. Ich war als Schauspielerin am Stuttgarter Staatstheater, dann Cabaret in Paris. Und parallel dazu hat es immer die musikalischen Aufnahmen gegeben, die CD, damals noch die LP. Die ganzen Weill-Werke, die sich international verkauft haben. Die Cabaret-Songs wurden wieder aufgenommen, eigentlich zum ersten Mal seit den Kriegszeiten. Damals gab es noch die großen klassischen Projekte der Schallplattenunternehmen, die nicht nur auf Kommerz getrimmt waren. Und damals war ich Protagonistin dieser Projekte, die mir dann auch Ende der 80er Jahre eine unglaubliche internationale Bekanntheit durch Plattenverkäufe bescherten. Viele kannten mich dann nur als Chanson-Sängerin, die von der Theater- oder Musicalkarriere gar nichts mitbekommen hatten. Und die Theaterleute wussten oft gar nichts von der ganzen Chanson-Geschichte. Und irgendwann sind die Straßen zusammengekommen. Es hat sich schon immer aufgefächert in mehrere Linien, die dann irgendwann zusammengekommen sind. Das hat nie einer besonderen Motivation bedurft. Das kam aus mir raus.
Ist das eine Art Neugier, eine Art Rast- und Ruhelosigkeit, die Sie antreibt? Neben Musical. Schauspiel und Theater kommt das Coelho- oder Neruda-Projekt, der Tango.
Ute Lemper: Ja, ich probiere mich gerne aus, suche nach neuen Wegen in der Musik für mich. Das neueste ist das Coelho-Projekt, mit dem ich auch vor kurzem bei den Ruhrfestspielen aufgetreten bin, danach noch in Italien. Davor war das Neruda-Projekt, das ich kreiert hatte, davor Astor Piazzolla, ein Avantgarde-Programm Bukowski, das ich nicht in Deutschland aufgeführt habe. Der Titel des Programms, mit dem ich in Ennepetal auftrete, heißt „Last Tango in Berlin“. Aber das ist nicht nur Tango. Das ist nur ein symbolischer Titel. Es sind viele andere Genres dabei neben Tango, Lieder von Edith Piaf, der Dietrich, von Kurt Weill oder Jaques Brel. Oder auch von meinem Lieblingskomponisten Léo Ferré. Ein paar Jazzimprovisationen. Es gibt neue Kompositionen, die sich so seit dem Jahr 2000 eingefügt haben. Es ist ein „Best of“, das man in Deutschland derzeit sehen kann. Das alles nicht groß und bombastisch, sondern sehr innig angelegt mit Klavier und Bandoneon. Es sind wunderbare, pure Interpretationen dieser Lieder. Dabei lässt sich das Bandoneon, das Tango-Instrument, hervorragend für die anderen Chansons in der deutschen und französischen Welt einsetzen. Diese vielen einzelnen Projekte bleiben an mir haften und sind Teil meines Weges.
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Dann lasse ich mich in die Improvisation fallen
Gibt es für Sie ein Lieblingslied unter den vielen?
Ute Lemper: Ich bin immer sehr glücklich in jedem Lied, das ich singe, in das ich mich hineinfallen lasse. Der einzelne Moment ist dann der beste Moment. Obwohl… Ich freue mich auf ein Lied immer ganz besonders, auf „Avec le temps“ von Léo Ferré. Obwohl ich das nicht immer singe. Oder auch „Ne mi quitte pas“ von Jaques Brel. Das sind dann zwei Stücke, die an Leib und Seele gehen. Aber ich liebe auch die verrückte Improvisation beim Jazz, weil das dann jedes Mal anders ist. Dann lasse ich mich einfach in die Improvisation hereinfallen. Das macht auch viel Spaß.
Es ist ja auch ein musikalischer Spaziergang durch viele Städte, durch die Straßen von Paris, Berlin, Buenos Aires, London. Ist das auch eine Retrospektive zusammen mit dem Publikum auf Stationen Ihres Wirkens?
Ute Lemper: Ja klar. Das sind und waren Stationen im Laufe der vielen Jahrzehnte. Und da nehme ich dann mein Publikum mit an diesem Abend. Ich bin zum Beispiel gerne in Südamerika, Ende September gehe ich wieder auf Tour. Wenn man in New York lebt wie ich, dann lebt man sehr international, hat viele Freiheiten. Das Konzert ist eine Reise wie ein großes Mosaik, das sich dann zusammenfügt. Jeder Stein, sprich jede Station, war und ist mir wichtig, ein teil von mir.
Woher nehmen Sie die Kraft und die vielen Inspirationen, immer neue Dinge auszuprobieren? Sie könnten sich ja auch auf dem Erfolg ausruhen?
Ute Lemper: Es gibt immer wieder neue Ereignisse in meinem Leben, die mich aufs Neue inspirieren und mir neue Kraft geben. Das kann ich gar nicht so genau kontrollieren oder definieren. Kommt es, dann reite ich auf dieser Intuition. Und dann bin ich Feuer und Flamme wie bei der Coelho-Sache. Die hatte ich gar nicht geplant. Ich war mit meinem Neruda-Projekt in Sao Paulo. Da hatte ich gerade das letzte Buch „Die Schriften von Accra“ von Coelho gelesen, lernte einen brasilianischen Journalisten kennen. Mit dem habe ich über Coelhos letzten Roman gesprochen. Und da sagte mir der Journalist, dass er ein alter Freund von Coelho ist. Und am nächsten Tag hatte ich eine E-Mail von Paulo Coelho. Und wir haben uns geschrieben. Da habe ich ihn gefragt, ob das für ihn OK wäre, wenn ich aus Accra ein Musikprojekt ins Leben rufe. Als er dann sagte: „Mach mal!“ habe ich 19 Texte zusammengestellt. Ihm hat die Auswahl sehr gute gefallen und er spornte mich an: „Mach weiter! Du hast meinen Segen“. Und dann musste ich halt dran bleiben und habe mich sofort ans Klavier gesetzt. Anfangs war mein Kopf leer. So langsam ging’s dann aber los. Nach einem halben Jahr hatte ich dann neun Leider, die ich ihm vorgestellt habe. Wir haben uns getroffen und dann habe ich seine Stimme sogar in die Songs integriert. Das Album kommt übrigens im Herbst in Deutschland raus. Wenn ich einmal Feuer gefangen habe, dann lasse ich nicht mehr los.
Sie sagten, dass Sie viele Freiheiten in New York haben. Was bedeutet für Sie heute aus der Ferne Münster, Berlin, Deutschland?
Ute Lemper: So aus der Ferne ist es ja nicht. Ich war noch vor ein paar Tagen in Berlin, habe am Gendarmen-Markt gesungen. Ich bin ständig in Deutschland, jetzt Ende Juli, Anfang August. In der zweiten Jahreshälfte bin ich noch mal in Frankfurt, in der Alten Oper. Deutschland ist ständig auf meinem Tourplan. Im Herbst kommt dort meine neue CD raus, die heißt „Neun Geheimnisse“. Und da werde ich dann bestimmt ordentlich TV-Shows machen, Promo mit dem Radio. Es ist ein ganz gewohntes Land, wo ich gerne Konzerte gebe.
Sie treten ja in Ennepetal auf? Kennen Sie Ennepetal?
Ute Lemper: Leider Gottes kannte ich Ennepetal nicht. Als ich die Stadt auf der Landkarte gesehen habe, war das auch ein großer Grund, warum ich dort auftrete. Denn das ist eine wunderbare Gelegenheit, in Münster vorbeizuschauen, bei meinen Eltern und meiner großen Familie. Am 3. August werde ich einen ganzen Tag in Münster verbringen, bevor es dann weiter nach Spanien geht.